14.11.2008
Übersicht Fragen und Antworten
Top-Download: Industrieleichtdächer dämmen
Reicht die staatliche Förderung im
Bestand?
Erneuerbare Energien als Allheilmittel?
Klimaschutz und Wärmedämmung
Energieeffizienz und
Nachhaltigkeit
Ist Wärmedämmung
wirtschaftlich?
IVPU-Praxishilfen für Berater
und Planer
Verhindert Wärmedämmung dass Häuser
"atmen"?
Warum sollen Bauherren mit Polyurethan
dämmen?
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Herr Schellenberger, unsere Leser von
EnEV-online kennen und schätzen Sie als Experten für die Dachdämmung von
Industrieleichtdächern. Ihre Fachartikel zu „Hartschaumdämmung
für Leichtdächer“ gehören zu unseren Top-Downloads. Sehen Sie eine
Verbindung zur derzeitigen Situation am Baumarkt?
Schellenberger:
Der Wohnungsbau ist von gegenläufigen Trends gekennzeichnet. Auf der einen Seite
geht der Neubau seit Jahren kontinuierlich zurück. Deutschland hält mittlerweile
die rote Laterne in Europa. In keinem EU Land, nicht einmal in der Slowakei oder
in Ungarn werden weniger Wohnungen pro Kopf fertig gestellt. Auf der anderen
Seite nimmt das Bauen im Bestand in Deutschland ständig zu. Nirgendwo sonst gibt
es einen so großen Bestand an schlecht gedämmten und energetisch ineffizienten
Gebäuden. Die Sanierungswelle rollt gerade erst an...
...
wozu sicher auch die
großzügige staatliche Förderung im Rahmen des CO2-Einsparprogramms beigetragen
hat. Tut der Staat genug für energieeffizientes Bauen?
Schellenberger:
Die Bundesregierung hat durch die Meseberger Beschlüsse gezeigt, dass sie es mit
dem Klimaschutz ernst meint. Dieses Signal ist sehr zu begrüßen. Leider haben
die Beschlüsse auch zu Missverständnissen geführt.
Welche meinen Sie?
Schellenberger: Das Kabinett hat beschlossen, den Anteil der
erneuerbaren Energien bei der Wärmeversorgung von Gebäuden im Jahr 2020 von 6
auf 14 Prozent zu steigern. Das wird von einigen so verstanden, dass
regenerativen Energien ein Allheilmittel wären. Das ist aber nicht der Fall.
Vielmehr werden wir ohne eine drastische Reduzierung des Bedarfs den Klimaschutz
nicht in den Griff bekommen.
Bild 2:
Dipl.-Ing.
Tobias Schellenberger,
IVPU-Geschäftsführer.
Foto © IVPU |
Ein schwerer
Geländewagen wird nicht energieeffizienter, wenn man ihn mit Biodiesel
betreibt. Ein Solarantrieb funktioniert nur bei Fahrzeugen mit äußerst
geringem Energiebedarf. Genauso verhält es sich bei Gebäuden: Erst gilt
es, den Energieverbrauch durch Wärmedämmung zu senken, dann kann man
sich darüber Gedanken machen, wie man den verbleibenden Heizwärmebedarf
deckt. Die Wärmedämmung ist Pflicht, die Nutzung erneuerbarer Energien
die Kür. |
Anfang dieser Woche
hat der zuständige Bundestags-Ausschuss zur öffentlichen Anhörung eingeladen.
Das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) soll diese Jahr zum dritten Mal seit 1977
durch ein Gesetz geändert werden. Der Wärmeschutz steht nach wie vor an erster
Stelle auch im EnEG 2009. Meinen Sie, dass die Bedeutung der Wärmedämmung für
den Klimaschutz jedoch allgemein unterschätzt wird?
Schellenberger:
Auf jeden Fall. Wenn Energiesparlampen im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte
über Energiesparmaßnahmen stehen, zeigt das, dass die Gewichtung nicht stimmt.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs
sind natürlich sinnvoll, nur können sie alleine das Problem nicht lösen. Nur
etwa 1 Prozent der Energie in privaten Haushalten wird für Beleuchtung
verbraucht. Durch den Einsatz von energiesparenden Leuchten können wir diesen
Anteil vielleicht auf ein halbes Prozent drücken. 70 bis 80 Prozent der
eingesetzten Energie entfallen auf Heizwärme.
Als erstes müssen die Lecks gestopft werden, die unzureichend gedämmte Dächer,
Wände und Böden, durch die Wärme aus dem Haus entweicht. Ein Quadratmeter
ungedämmte Dachfläche „verbraucht“ in einer kalten Winternacht mehr Energie als
3 Energiesparleuchten. Ein ungedämmtes Haus mit Solarenergie oder Geothermie zu
beheizen gleicht dem Versuch, ein Sieb mit Wasser zu füllen.
Neben der
Energieeffizienz ist die Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Thema im Bauwesen
geworden.
Schellenberger:
Nur energieeffiziente Gebäude sind nachhaltig, insofern hängt beides eng
zusammen.
Bild 3:
Dipl.-Ing.
Tobias Schellenberger,
IVPU-Geschäftsführer.
Foto © IVPU |
Wärmedämmstoffe bilden die wesentliche Voraussetzung für nachhaltige
Gebäude, sie reduzieren den Ausstoß von Treibhausgasen und leisten damit
einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Zur Nachhaltigkeit gehören
außer ökologischen auch wirtschaftliche und soziale Aspekte. Dabei wird
der gesamte Lebenszyklus eines Baustoffs betrachtet, von der Herstellung
über die Nutzungsphase bis hin zum „end of life“. |
Nachhaltigkeit und Energieeffizienz können nur auf
Gebäude- und nicht auf Produktebene bewertet werden. Bei Wärmedämmstoffen ist
nicht der Inhalt an „grauer Energie“ entscheidend, sondern die Heizenergie, die
ein gut gedämmtes Gebäude im Vergleich zu einem energetisch ineffizienten
weniger verbraucht. Polyurethan-Dämmstoffe sparen im Laufe ihres Produktlebens
etwa hundertmal mehr Energie ein, als zu ihrer Herstellung benötigt wird. Die
eingesetzte Energie zahlt sich also vielfach aus.
Wie steht es mit der
Wirtschaftlichkeit von Wärmedämm-Maßnahmen?
Schellenberger: Wärmedämm-Maßnahmen
sind eine Investition in die Zukunft, für die nächsten 30 bis 50 Jahre. Man
sollte sich von den augenblicklich fallenden Energiepreisen nicht täuschen
lassen: Die weltweit rasant steigende Nachfrage bei begrenzten Reserven werden
die Öl- und Gaspreise bald wieder in die Höhe schnellen lassen.
Bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen wird oft der Fehler gemacht, dass die zu
erwartenden Energiekosteneinsparungen gegen die Gesamtkosten einer
Sanierungsmaßnahme gerechnet werden. Das wäre in etwa so, als würde man
erwarten, dass sich ein neues Auto allein durch den geringeren Benzinverbrauch
amortisieren würde. Dabei wird nicht berücksichtigt, wenn Erneuerungsmaßnahmen
ohnehin durchgeführt werden müssen. Rechnet man die Kosten für die notwendige
Erneuerung der Dachziegel oder der Fassade ab und betrachtet nur die Kosten der
Dämmung, so ergeben sich meist kurze Amortisationszeiträume. Wer in Wärmedämmung
investiert, legt sein Geld sicher an und erzielt hohe Renditen. Von welcher
anderen Geldanlage lässt sich das derzeit sagen?
Der IVPU veröffentlicht
Publikationen für Energieberater,
Architekten und Planer. Ihre Zielgruppe entspricht auch unseren Lesern. Im Jahr
2008 waren ihre Top Download-Favoriten die IVPU-Planungshilfen und Informationen
zur Herstellung, Anwendung und zu den bauphysikalischen Eigenschaften von
Polyurethan-Hartschaum-Wärmedämmstoffen. Wie sehen Sie hier die Brücke zur
Baupraxis?
Schellenberger:
In der Praxis muss man wissen: Welche Eigenschaften hat der Dämmstoff? Wo kann
das Produkt eingesetzt werden? Hier schaffen die Publikationen des IVPU
Klarheit. Die Planungshilfen des IVPU zeigen Architekten, Planer und
Energieberater ausgereifte Dämmlösungen auf hohem technischem Niveau. Die
U-Wert-Tabellen zu den einzelnen Konstruktionsbeispielen sind auf verschiedene
Polyurethan-Dämmstoffdicken und Wärmeleitfähigkeitsstufen abgestimmt. So kann
der Berater die geforderten U-Werte ablesen und in computergestützte
Planungssysteme übernehmen. Die Dämmstoff-Anwendungstypen mit entsprechenden
Kurzzeichen nach DIN EN 4108-10 und die Mindestanforderungen nach der
europäischen Produktnorm EN13165 für Polyurethan-Hartschaum werden ebenfalls
erläutert.
Als vor gut dreißig Jahren die Erdölkrise
zu unserem Energieeinsparungsgesetz (EnEG) führte war spätestens nach der
Wärmeschutzverordnung 1977 allen klar, dass in unseren Breitengraden die
Wärmedämmung prioritär ist. Dennoch sind Vorbehalte gegen Wärmedämmung weit
verbreitet. Es gibt die Meinung, Wärmedämmung hindere Häuser am „Atmen“.
Schellenberger:
Die Vorstellung der „atmenden“ Wände geht auf Max von Pettenkofer, einen
populären Physiker des 19. Jahrhunderts zurück. Auch wenn längst bekannt ist,
dass Pettenkofers Theorie auf einem Irrtum beruht, spuken die atmungsaktiven
Baustoffe noch immer durch die Bauwelt. Dahinter stecken neben Unwissen auch
handfeste Marktinteressen. Richtig ist, dass die Feuchtigkeit über Lüftung aus
einem Gebäude abgeführt wird, und nicht durch geschlossene Wände. Man weiß ja
aus Erfahrung, dass Tauwasserniederschläge beim Kochen oder nach dem Duschen
schnell verschwinden, wenn man ein Fenster öffnet.
Wärmedämmung setzt die Innentemperatur von Außenbauteilen herauf und vermindert
so das Tauwasserrisiko. Eine Felduntersuchung des Bundesamtes für Bauwesen und
Raumordnung hat empirisch bestätigt, dass in gut gedämmten Häuern viel seltener
Schimmel auftritt.
Die Wärmedämmung bietet darüber hinaus Mehrfachnutzen: Sie verbessert den
Wohnkomfort, sorgt für gesünderes Raumklima und schützt die Bausubstanz.
Sie vertreten als Geschäftsführer des
Industriebverbandes Polyurethan-Hartschaum die Hersteller von
Polyurethan-Dämmstoffen. Warum sollen Bauherren mit Polyurethan dämmen?
Schellenberger:
Je höher die Anforderungen an den Wärmeschutz, desto wichtiger wird die
Dämmeffizienz. Dämmstoffdicken lassen sich nicht beliebig steigern; insbesondere
bei der Altbausanierung sind hier Grenzen gesetzt. Polyurethan ist
leistungsfähiger als andere marktgängige Dämmstoffe und kann universell
eingesetzt werden. Mit Polyurethan-Dämmstoffen kann man in jeder Bausituation
den maximalen Einsparungseffekt erzielen.
Bild 4:
Dipl.-Ing.
Tobias Schellenberger,
IVPU-Geschäftsführer.
Foto © IVPU |
Bei der
Sanierung von Steildächern setzen sich Polyurethan-Dämmstoffe immer mehr
durch, weil sie besser dämmen, leicht, druckfest und dauerhaft sind. Sie
werden von außen auf den Sparren verlegt und bilden eine durchgehende,
wärmebrückenfreie Dämmschicht. Während der Sanierungsarbeiten können die
Innenräume ganz normal genutzt werden – Lärm und Schmutz bleiben
draußen. Diese Art der Dämmung ermöglicht eine luft- und winddichte
Ausführung, um Wärmeverluste zu minimieren und um Bauschäden
vorzubeugen. |
Auch in Flachdächern,
in der Fassade und im Fußboden kommen Hochleistungsdämmstoffe aus Polyurethan
immer häufiger zum Einsatz – überall dort, wo höchste Energieeffizienz gefragt
ist.
Herr
Schellenberger, vielen Dank für unser Gespräch!
Kontakt für
inhaltliche Fragen:
IVPU – Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e. V.
Tobias Schellenberger, E-Mail:
schellenberger@ivpu.de
Kontakt zur Autorin:
Melita Tuschinski, Redaktion EnEV-online.de
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Wichtiger Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass sämtliche Verwertungsrechte dieses Interviews
bei der Autorin Melita Tuschinski liegen. Bitte nehmen Sie bei Interesse
Kontakt mit der Autorin auf.
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